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Interview mit Gian Nicola „Nanni“ Bisciotti

 

6 Fragen an Gian Nicola „Nanni“ Bisciotti

Curriculum vitae 

Geboren 1959 in Pontremoli, Toscana (It). Hochschulabschluss in Bewegungs- und Sportphysikwissenschaften, danach in Biomechanik unter Prof. J.R. Etienne, C. Bernard, J.R. Lacour und A. Belli. 1999 Doktorat in Biochemie und Sportphysiologie. 11 Jahre Professurtätigkeit in Italien, Frankreich, Peru und Brasilien. Zusammenarbeit mit der Hochschule für Sport in Magglingen und Lausanne und mehreren europäischen Sportverbänden und Spitzensportlern.

Konditionstrainer von Inter Mailand unter Trainer wie Lippi, Mancini und Mourinho. Persönlicher Trainer von Ronaldo, Vieri und anderen Spitzenfussballspielern. Ab 2009 Leiter des Sportmedizinischen Centers der FIFA in Katar. Ab 2010 auch Konditionstrainer der Algerischen Nationalmannschaft. Autor von zahlreichen Publikationen und 8 Sachbüchern. Gründer und Leiter von 3 Sportmedizinischen Zentren in Norditalien.

 

 

 

 

Gibt es einen Unterschied zwischen der physischen Vorbereitung von Torhütern und Feldspielern.

Besonders in Europa – anders als beispielsweise in asiatischen Ländern – leben die TH in einer «eigenen Trainingswelt». Trotzdem geht die physische Vorbereitung in Absprache mit dem Konditionstrainer in die gleiche Richtung. In meiner Arbeit als verantwortlicher Konditionstrainer der algerischen Nationalmannschaft (Trainer V. Halilhodzic) habe ich allerdings spezielle Erfahrungen gemacht: dort haben die TH die genau gleiche Vorbereitung wie die Spieler gemacht. Nun hat der eingesetzte TH allerdings vorher kein einziges Spiel bestreiten können, er war also nicht der Stammtorhüter der Nationalmannschaft. Trotzdem hat der Torhüter in wichtigen Partien wie gegen Deutschland oder Frankreich eine hervorragende Leistung erbracht und auch dank ihm hat sich Algerien erstmals in der Geschichte für die Achtelfinals qualifiziert. Die Vorbereitung war quasi genau das Gegenteil von dem, was man üblicherweise macht und trotzdem stimmte die Leistung. Du siehst: Im Fussball gibt es verschiedene Möglichkeiten, nicht eine einzige gültige Regel!

 

Handelt es sich bei der Vorbereitung von TH auch um einen mentalen Faktor?

Ich denke schon, dass es sich vermehrt auch um eine mentale Angelegenheit handelt. Was wir mit Algerien erlebt haben, wäre bei einem europäischen Spitzenklub wie Inter Mailand oder Paris St. Germain undenkbar. Aber zu sagen, in welchem prozentuellen Verhältnis sich physische und psychische Vorbereitung gegenüberstehen, ist nicht seriös möglich. Ganz sicher aber, ist die mentale Komponente sehr, sehr wichtig! Auch mit der Nationalmannschaft von Katar habe ich eine tolle Erfahrung gemacht. Nach langer Erfolglosigkeit haben wir den Asiencup gewonnen. Dies war nur dank grosser Motivation und positiver Einstellung der TH und aller Beteiligter möglich!

 

Viele TH sollten nach Ansicht der Headcoaches für ein Mannschafts- oder Stürmertraining schon nach knapp 20 Minuten bereit sein. Ist dies deiner Meinung nach möglich?

Als physische Vorbereitungszeit ist dies sicher möglich, wenn die äusserlichen Bedingungen nicht besonders speziell sind, wie zum Beispiel sehr tiefe Temperaturen! Betreffend der mentalen Vorbereitungszeit, ist dies für mich schwieriger abzuschätzen, was die TH betrifft! Hier sind die Ansichten sehr individuell. Zum Beispiel bestand unser Headcoach Mourinho darauf, dass das Training immer 90 Minuten dauerte – denn das Spiel geht auch über 90 Minuten. Dafür muss dann aber die Konzentration auch über die 90 Minuten maximal sein! Besonders ein TH muss sich über so lange Zeit maximal konzentrieren können. Das muss man üben, denn natürlicherweise geht die Konzentration mit der Zeit zurück. Lieber weniger lang, dafür qualitätsmässig auf hohem Niveau trainieren heisst auch, die Verletzungsgefahr senken!

 

Sehr oft müssen TH in einem Training 50-100x hechten, eine Aktion nach der anderen das Maximum geben, während sich die Spieler nach einer Aktion wieder einen Moment erholen können. Wie könnte man diese Situation verbessern?

Da sprichst du einen ganz wichtigen Punkt an, den ich nie so richtig begriffen habe. Dann die TH trainieren oft auf eine völlig spielfremde Weise – sie trainieren meist Situationen so, wie es im Match nie vorkommt! Konkret trainieren sie 50x eine 1:1-Situation, die im Spiel so selten bis nie vorkommt. Stürmer trainieren mit Angriffsauslösungen und Gegenspieler. Der TH mit seinem TH-Trainer und einem oder 2 anderen TH alleine, absorbiert, rein technisch. Die TH müssten viel mehr in komplexen Spielsituationen trainieren können!

Der TH ist meiner Meinung nach die am schlechtesten interpretierte Position, auch weil sie schwierig zu beurteilen ist. Aber sicher müsste das Konzept des TH-Trainings von Grund auf neu überdenkt werden.

 

Vor dem Spiel werden beide TH aufgewärmt und oft muss dann der 2. TH für die Abschlussübungen ins Tor, d.h. er muss 100% aufgewärmt sein, um sich nicht zu verletzen. In der Pause jedoch, spielen sie ein bisschen mit dem Ball. Wäre es nicht besser, die TH (und im übrigen auch die Feldspieler) obligatorisch ein Aufwärmprogramm wie vor dem Spiel absolvieren zu lassen?

An der letzten Weltmeisterschaft ist mir aufgefallen, dass z.B. die Deutsche Nationalmannschaft mit dem ganzen Team das gesamte Aufwärmprogramm absolviert hat. Dies hat nicht nur einen physischen, sondern auch einen mentalen, einen gruppendynamischen Grund.

Es ist jedoch sehr schwierig, einem «Star» zu sagen, er müsse sich aufwärmen, wie wenn er gleich spielen würde, wenn er dann wieder auf der Bank Platz nehmen muss. Weiter nützt es wenig, wenn sich die Spieler – inkl. der 2. TH in der Pause voll aufwärmen, um dann vielleicht erst 10 Min. vor Schluss eingewechselt zu werden. Viel gescheiter wäre es – nach einem gemässigten Aufwärmen vor dem Match und in der Halbzeitpause – alle 15 Minuten wieder alle Ersatzspieler in eine Aufwärmphase zu schicken. Dies wird aber, je höher das Niveau umso schwieriger sein; denn stell dir vor, du hast einen Figo, einen Ibrahimovic und einen Vieri auf der Bank; da bist du nicht mehr Trainer im Sinne von trainieren-lehren, da bist du psychologischer Führer einer Startruppe. An diesem Punkt kann der beste Trainer der Welt scheitern.

Wie beurteilst du – als Doktor der Biomechanik – die Körpergrösse im Verhältnis zur Beweglichkeit oder anders gefragt, wie gross muss ein TH sein, um international erfolgreich zu sein?

Es stimmt, dass die Grösse ab einem bestimmten Punkt zu einem Kontrapunkt der Koordinationskapazität wird. Es ist auch so, dass besonders in der Pubertät Phasen eintreten, in denen man wegen grossen Wachstumsschüben an Koordinationsfähigkeit einbüsst. Ein anderer Punkt darf aber nicht vergessen werden: grosse TH sind nicht nur gross, sie haben in der Regel auch mehr Kraft, das heisst ein wichtiger Faktor beim TH ist eben auch physische Kraft. Man darf sich nicht täuschen lassen! Explosivität sieht bei einem kleineren Menschen anders aus, als bei einem grossen. Die gleiche Frage stellt sich ja auch bei den Spielern: manchmal sieht es aus, als wäre ein kleiner Spieler extrem schnell, aber im Vergleich zu einem grossen, ist er gar nicht schneller! Es geht um die Explosivitätskraft, die bei einem TH viel entscheidender ist. Die «langsamen» Bewegungen werden durch mehr Kraft wett gemacht. Man kann schon sagen, dass ein ganz grosser TH mehr Vorteile hat als ein sehr kleiner – aber ein TH muss auch die Kapazität haben, seine Grösse in Nutzen umzusetzen. Die Grösse ist nur ein Parameter von mehreren. Wie bei einem Feldspieler die Schnelligkeit. Also, wenn das Gesamtpaket stimmt, würde ich sicher auch einen etwas kleineren TH selektionieren.

 

Vielen Dank, Nanni, für das interessante Gespräch!

 

 Veröffentlicht von am 23:48